Sportgerichtsbarkeit

23.06.2015

Prof. Dr. Christian Duve

Ist die Sportgerichtsbarkeit am Ende?
Warum der Fall Claudia Pechstein ein Beben in der Sportwelt ausgelöst hat

 

Die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat in ihrer langen Karriere zahlreiche Titel und Medaillen gewonnen. Dennoch äußerte sie, der Sieg, den sie im Frühjahr vor dem Oberlandesgericht München erzielt hatte, sei ihr größter Erfolg gewesen: „Es ist ein großer Tag für mich. Dieser Sieg ist mehr wert als alle Olympiamedaillen zusammen!“

Das OLG München war einer Klage der Athletin insoweit gefolgt, als es eine zwischen ihr und den Verbänden geschlossene Schiedsvereinbarung als unwirksam betrachtete und einen gegen sie ergangenen Schiedsspruch in Deutschland als nicht durchsetzungsfähig ansah.

Zur Entscheidung: OLG München, Urt. v. 15.01.2015 (U 1110/14 Kart)

Stellt dieses Urteil den seit 30 Jahren existierenden Sportgerichtshof (Court of Arbitration for Sport, CAS) oder die Sportgerichtsbarkeit infrage? Bislang müssen Sportler vor Wettkämpfen eine Schiedsvereinbarung unterschreiben – und unterwerfen sich dadurch privaten Gerichten. Ein Gang zu einem staatlichen Gericht ist für sie somit eigentlich ausgeschlossen. Die Frage ist, ob sich das nun ändern könnte.

Der Vorwurf gegen den Sportgerichtshof lautet „Missbrauch von Marktmacht“. Denn die Richter des CAS würden fast ausschließlich von Verbänden besetzt, nicht dagegen von Sportlern, die über keinerlei Mitspracherecht verfügen. Die Schiedsvereinbarung werde von den Athleten nur hingenommen, weil sie keine andere Möglichkeit hätten, an internationalen Sportveranstaltungen teilzunehmen. Somit erhielten die Verbände bei Streitigkeiten mit Athleten ein strukturelles Übergewicht, das die Neutralität des CAS grundlegend in Frage stelle. Die juristische Monopolstellung der Sportverbände droht zu fallen. Jetzt muss der Bundesgerichtshof entscheiden.


Haben die Münchener Richter mit ihrem Urteil das Ende der Sportschiedsgerichtsbarkeit eingeläutet? Hat das Urteil über den Sport hinaus Konsequenzen? Bedarf die Schiedsgerichtsbarkeit der Reform? Wenn ja, wie könnte eine solche Reform aussehen?

Prof. Dr. Christian Duve war von Anfang 2007 bis Ende 2014 Schiedsrichter am CAS und ist zur Frage, ob die Sportschiedsgerichtsbarkeit gesetzlich geregelt werden sollte, im Sportausschuss des Bundestages als Sachverständiger gehört worden.