Justiz und Medien

14.10.2015

Gemeinschaftsveranstaltung der Darmstädter Juristischen Gesellschaft und des Richterbundes Hessen

Justiz und Medien
im Spannungsverhältnis zwischen rechtsstaatlichem Strafverfahren
und öffentlichem Interesse an der medialen Berichterstattung


Podiumsdiskussion

Prominente Strafverfahren der vergangenen Monate und Jahre zeigen: Das Verhältnis von Justiz und Medien ist spannungsgeladen.

Fragen, die sich aus diesem Spannungsverhältnis zwischen rechtsstaatlichem Verfahren einerseits und Informationsinteresse der Gesellschaft andererseits ergeben, haben dabei höchst unterschiedliche Zielrichtungen. Das wird deutlich an aktuellen prominenten Beispielen, mit denen wir problematische Fragestellungen hinsichtlich medialer Berichterstattung verbinden:

Beispielsweise Klaus Zumwinkel. Anlässlich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den früheren Postchef wurde in erster Linie diskutiert, ob die Unschuldsvermutung nicht dadurch konterkariert würde, dass das Fernsehen bereits vor Ort ist und den Beschuldigten filmt, während er aus seinem Haus zu einer Vernehmung geleitet wird. Oder Jörg
Kachelmann. Hier stellte sich die Frage, inwieweit Medienvertreter sich für oder gegen einen Angeklagten während eines laufenden Prozesses einsetzen sollten.

 Welche Wirkungen die „Öffentlichkeitsarbeit“ der Justiz für die Beteiligten haben kann, zeigt exemplarisch der Fall des Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff.

Und ganz aktuell: Im so genannten Tugce-Prozess vor dem Landgericht Darmstadt dürfte die mediale Vorberichterstattung erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Tatzeugen gehabt haben. Zumal das Überwachungsvideo, auf dem die Auseinandersetzung zu sehen war, bereits Wochen vor Prozessbeginn auf der Internetseite einer verbreiteten deutschen Zeitung gezeigt wurde.

Schließlich stellt sich nicht zuletzt auch die Frage, welche Pressevertreter Zugang zu einem der begrenzten Zuhörerplätze haben und welche nicht. Zu klären war dies sowohl im Tugce-Prozess als auch im NSU-Verfahren vor dem OLG München. Denn auch das kann sich wiederum auf die Berichterstattung auswirken.

Derzeit ist das Verhältnis von Medien und Justiz Gegenstand von Beratungen der Justizministerkonferenz der Länder und des Bundes. Sie erwägt, Teile jedenfalls obergerichtlicher Urteilsverkündungen der Fernsehberichterstattung zugänglich zu machen. Bislang ist dies nach § 169 S. 2 GVG nach der überwiegenden Lesart wohl derzeit noch untersagt. In dieser Initiative spiegelt sich womöglich zugleich ein Funktionswandel der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren wieder: Von der Kontrolle staatlicher Gewalt hin zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Bürgerinnen und Bürger.

Es diskutieren:

Werner Groschel
Vors. Richter am LG,
Pressesprecher des LG Frankfurt a.M. (Strafrecht)

Professor Dr. Rainer Hamm
Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht und Gründer der Anwaltspraxis HammPartner
Mitherausgeber der NJW

Sebastian Kisters
HR-Redakteur
Prozessbeobachter des so genannten Tugce-Verfahrens am Landgericht Darmstadt

Moderation:
Sebastian Zwiebel
Ernst & Young, Staatsanwalt a.D.
Ehemaliger Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt